Konsens und gesicherte finanzielle Grundlage statt Programme

Jörg Freese ist beim Deutschen Landkreistag u.a. zuständig für Schulen und wünscht sich einen bundesweiten Konsens für Schulentwicklung und eine gesicherte und verbesserte kommunale Finanzausstattung statt großer Bundesprogramme.

Hallo Herr Freese, der Landkreistag ist neuer Partner beim Deutschen Schulträgerkongress. Was erwarten Sie von der Zusammenarbeit und welche konkreten Ziele verfolgen Sie mit dieser Partnerschaft?

Als Deutscher Landkreistag vertreten wir die Landkreise, die in allen Ländern auch Schulträger sind. Das ist in jedem Bundesland unterschiedlich organisiert. In Hessen und Thüringen beispielsweise sind die Landkreise Träger aller Schulformen, während in anderen Bundesländern die Zuständigkeit auf berufliche Schulen und Förderschulen beschränkt ist. Daher ist es wichtig, dass wir dabei sind. Mit unserer Partnerschaft möchten wir diese Rolle deutlicher herausstellen.

Wie sehen Sie die Rolle der Schulträger in der heutigen Bildungslandschaft und welche Herausforderungen haben Sie beobachtet?

Es wird Zeit, dass das, was seit 100 Jahren als innere und äußere Schulverwaltung definiert ist, neu bestimmt wird. Die Kommunen und das Land sollten näher zusammenrücken. Natürlich gibt es auf dem Weg dorthin viele finanzielle Restriktionen und Beharrungskräfte, die sich gegen Veränderungen stemmen.

Aber daran führt kein Weg vorbei, denn nur das stärkt die Rolle der Schule. Schulen sollten als selbstständige Institutionen eine wichtigere Rolle spielen, und Schulträger sollten in den Schulen eine größere Bedeutung haben – Stichwort kommunale Bildungslandschaft. Denn der Schulträger vor Ort kennt die Probleme besser als die Schulaufsicht in der fernen Landeshauptstadt.

Was hat Sie persönlich dazu bewegt, sich im Bereich Schulträger und Schulentwicklung zu engagieren?

Das ist nicht sehr tiefschürfend. Ich habe 1991 beim Landkreistag in Mecklenburg-Vorpommern angefangen und u. s. die Aufgaben Schule, Jugend und Soziales übernommen. Zuvor war ich in Schleswig-Holstein tätig. Jetzt bin ich in Berlin beim bundesweit agierenden Deutschen Landkreistag und habe durch diese Tätigkeit eine umfassendere Perspektive. Ich beschäftige mich mit diesem Themenfeld seit über 30 Jahren und mache das bis heute gerne.

Was ist das Besondere an der Bildungsbranche?

Die Schule ist geprägt von der Dualität zwischen staatlichen und kommunalen Aufgaben sowie von den zurecht intensiven öffentlichen Diskussionen über den Erfolg oder Misserfolg von Schulen. Als Schulträger gerät man dann in die Öffentlichkeit, wenn die Gebäude verfallen oder das WLAN nicht funktioniert.

In den Schulen ist außerdem evident, dass es keinen Bereich gibt, den man allein gestalten kann – viele Akteure sind beteiligt. Das unterscheidet sich deutlich von bspw. der Jugendhilfe, wo man als Träger unabhängiger ist und freier entscheiden kann.

Der Deutsche Schulträgerkongress bietet eine Plattform für Austausch und Zusammenarbeit. Welche Themen liegen Ihnen besonders am Herzen, und wie möchten Sie diese vorantreiben?

Wir möchten uns in allen Bereichen der Weiterentwicklung und Modernisierung als Schulträger einbringen, auch wenn wir bei pädagogischen Fragen vielleicht nicht als Erstes in den Sinn kommen. Die Fragen des Schulbaus hängen jedoch eng mit pädagogischen Themen zusammen. Schulen im 21. Jahrhundert benötigen eine andere Pädagogik als vor 100 Jahren und sollten auch entsprechend gestaltet sein. Wir sollten dabei eine aktive Rolle einnehmen. Natürlich ist uns auch die Ausstattung im Bereich Digitalisierung wichtig.

Zusätzlich brauchen wir einen Prozess, der herausarbeitet, wie wir die Aufgaben zwischen Kommunen, Ländern und Bund besser verteilen können. Die neue Bildungs- und Jugendministerin Karin Prien hat Erfahrungen damit, und ich bin zuversichtlich, dass sie weiß, wie sie vorgehen muss.

Welche Trends und Entwicklungen in der Schulbildung sollten die Schulträger in den kommenden Jahren besonders beachten?

Das ist offensichtlich: Wir müssen bei allen Fragen der Digitalisierung auf dem neuesten Stand bleiben und idealerweise“vor der Lage” sein. Das gestaltet sich aus finanziellen und strukturellen Gründen jedoch schwierig. Strukturell betrachtet erfolgt die inhaltliche pädagogische Entwicklung nicht immer in der erforderlichen Geschwindigkeit, was oft nicht zusammenpasst. Das müssen wir dringend verbessern, denn es ist eine berechtigte Erwartung von Schülerinnen und Schülern, Eltern sowie Lehrkräften, dass wir das besser hinbekommen – auch wenn sich alle bereits redlich bemühen.

Wie beeinflusst die zunehmende Digitalisierung das Schulträgermanagement, und welche Entwicklungen sehen Sie dabei?

Ganz oben steht die Tatsache, dass es tatsächlich noch Schulen gibt, bei denen die Grundfrage der Breitbandanbindung immer noch ungelöst ist. Auch im Bereich Digitalisierung müssen wir die Aufgabenverteilung an den Schulen besser regeln. Wir müssen klären, wo die Verantwortung beim Unterricht (Land) und wo sie bei der Verwaltung (Schulträger) liegt.

Zudem müssen wir als Kommunen in der Lage sein, diese Aufgaben zu erfüllen. Davon sind viele Kreise und Städte momentan leider weit entfernt, was uns große Sorgen bereitet. Bund und Länder müssen hier aktiv werden, damit wir nicht von Fördermitteln abhängig sind, die mal verfügbar sind und mal nicht.

Erklären Sie noch einmal genauer, was Sie damit meinen, dass die Aufgaben stärker entflochten werden müssen.

Oft gibt es pragmatische Lösungen bei vielen Themen. Die Frage “Wer macht was?” wird jedoch zwischen Land und Kommunen häufig immer wieder neu verhandelt, und diese Entscheidungen werden nach einiger Zeit oft wieder in Frage gestellt. Beispielsweise gab es kürzlich in einem Bundesland einen erbitterten Streit darüber, wer die Laptops für Lehrkräfte bezahlt. Wir benötigen eine klare und dauerhafte Aufgabenzuordnung – das schließt nicht aus, dass man auch einmal Aufgaben gemeinsam anpackt und auch gemeinsam finanziert.

Können Sie sich vorstellen, dass Schulleitungen mehr Freiheiten erhalten?

Ja, auf jeden Fall. Das gilt für die Schulen insgesamt und insbesondere für die Schulleitungen. In einigen Ländern gab es bereits Entwicklungen in diese Richtung, aber ich denke, dass dies nicht weit genug gegangen ist. Mehr Freiheiten würden auch den Schulträgern einiges erleichtern, da sie viel besser mit den Schulleitungen kommunizieren können als mit der Schulaufsicht im Regierungspräsidium oder im Ministerium. Die Kommunen und die Schulleitungen sind dem Druck vor Ort unmittelbar ausgesetzt – die Schulaufsicht hingegen nicht.

Welche Bedeutung messen Sie der Einbindung von Kommunen und lokalen Akteuren in die Schulentwicklung bei, und wie kann diese Zusammenarbeit verbessert werden?

Die Bedeutung der Kommunen wächst. Ende der 2000er Jahre wüssten die kommunalen Schulträger oft besser Bescheid über den Zustand der Fenster als über das, was in den Schulen produziert wird – zum Beispiel über Lernergebnisse und Schulabbrecherquoten. Das hat sich wesentlich verbessert.

Die Kollegen vom Deutschen Städtetag haben 2007 mit ihrem Papier zu kommunalen Bildungslandschaften einen wichtigen Anstoß gegeben. Man hat sich endlich die Frage gestellt, warum man viel Geld in die Schulen investiert, und wollte endlich wissen, was dort mit welchen Ergebnissenpassiert.

Die Zusammenarbeit zwischen Schulträgern und Schulleitungen hat sich daraufhin deutlich verbessert. Man schaut sich die Ergebnisse an und beachtet bei Schulschließungen nicht nur, wie viel man investiert hat, sondern auch, wie erfolgreich die Schulen tatsächlich sind.

Wenn Sie eine Vision für die Zukunft der Schulträger in Deutschland formulieren könnten, wie würde diese aussehen? Was ist Ihr Wunsch für die nächsten fünf Jahre?

Wir brauchen kraftvoll agierende Landräte mit Kreistagen, die gemeinsam die Schulentwicklung vor Ort unterstützen. Zweitens benötigen wir finanzielle Rahmenbedingungen, die echte Schulentwicklung ermöglichen. Und ich wünsche mir einen Schulkonsens in ganz Deutschland, anstelle von großartigen Bundesprogrammen – einen Konsens, der uns erlaubt, langfristige Planungen anzugehen.

Der Deutsche Landkreistag ist Partner beim Deutschen Schulträgerkongress am 27./28. November 2025 in Düsseldorf. Dort erwartet Sie ein Premium-Kongressprogramm mit renommierten Top-Speakern in zukunftsweisenden Vorträgen, Workshops, Praxisforen und Diskussionsrunden zu aktuellen Themen.

Jörg Freese

Beigeordneter Deutscher Landkreistag und Mitveranstalter des DSTK